Sonntag, 8. Januar 2017

Nathan Hill - Geister

"Hätte Samuel gewusst, dass seine Mutter weggehen würde, hätte er vielleicht besser aufgepasst, hätte ihr genauer zugehört, sie eingehender beobachtet, sich ein paar wichtige Dinge aufgeschrieben."

(C) Piper

Verlag; Piper - 858 Seiten - ISBN: 3492057370 - Veröffentlichung: 4. Oktober 2016 - Originaltitel: The Nix

Klappentext

Eines Tages erreicht den Literaturprofessor Samuel Anderson der Anruf einer Chicagoer Anwaltskanzlei: Nach einem tätlichen Angriff auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten braucht seine Mutter dringend seine Hilfe.
Die Mutter, die die Familie ohne ein Wort verlassen hat, als Samuel sieben Jahre alt war. Um sie zu retten, muss er die Geheimnisse ihres Lebens lüften.

Meine Meinung

Beim deutschen Titel "Geister" hatte ich sofort Angst, dass ich hier auf eine lächerliche Geistergeschichte gestoßen wäre. Aber der kurze Klappentext hat meine Befürchtung schnell vertrieben.
Um Geister geht es in dem Buch aber zumindest ein bisschen, denn der Großvater von Samuel, also der Vater seiner Mutter, hat ihr als sie ein kleines Mädchen war, von den Geistern aus seiner norwegischen Heimat erzählt. So begegnen wir in Rückbblicken einigen dieser Geister. Einem ganz besonders, dem Nix. "The Nix" ist auch der Originaltitel des Werks.
Der Nix ist der schlechteste unter den Geistern.


"Das, was du am meisten liebst, wird dir eines Tages am meisten wehtun."

"Geister" ist das erste Buch, das der Autor Nathan Hill veröffentlicht hat. Auch wenn er erst 40 Jahre alt ist, meiner Meinung nach jung für einen Autor, darf man sich nicht wundern, dass es so lange gedauert hat, bis es endlich erschien. Es ist immerhin 858 Seiten dick und damit ein echter Wälzer.

Um es direkt vorwegzunehmen: mir hat das Buch sehr gut gefallen. 
Nachdem ich ausschließen konnte, dass es keine reine Geistergeschichte und auch nicht nur eine Mutter-Sohn-Geschichte ist, habe ich frohen Mutes angefangen zu lesen und war schnell gefesselt, was bei über 850 Seiten auch unerlässlich ist, um das Buch nicht über mehrere Monate in mehreren Anläufen zu lesen.
Als ich zu lesen begonnen habe, war mir gar nicht klar, was für eine Vielseitig- und Vielschichtigkeit mich hier erwartet. Unterm Strich dreht sich zwar alles um Samuel und seine Mutter Faye, aber wie die Verbindungen hergestellt werden ist bemerkenswert. So fließen neben diversen verschiedenen Geschichten aus Samuels Alltag auch Ereignisse aus einem historischen Rahmen in den Plot mit ein. Denn: Faye war zu Collegezeiten eine, mehr oder weniger, linke Aktivistin und die Zeit des Widerstands, der Proteste und Polizeigewalt wird sehr gelungen wiedergegeben. Googlet einfach mal "Chicago Riots", dann könnt ihr euch ein Bild machen. 

Zu Beginn lernen wir Samuel kennen, einen unzufriedenen Collegeprofessor für Literatur, der die meiste Zeit in einem wenig literarischen Onlinerollenspiel verbringt. Man könnte auch exzessiv sagen. Vom Unirechner, aus seinem Büro. So starten die nächsten kleinen Erzählstränge, die sich mit einem Spielsüchtigen und einer betrügerischen Schülerin auseinandersetzen. Besonders eine Szene, in der der Spielsüchtige wiederholt seine Diät anfängt und dafür einkaufen geht, natürlich nur theoretisch, in seinen Gedanken, ist eine wahre Wonne. Morgen, morgen fange ich an..

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der großen, unglücklichen Liebe aus Samuels Leben, die im Laufe der Story noch eingehender behandelt wird.

Dann erhält das einstige literarische Wunderkind Samuel zwei Anrufe: einen vom Anwalt seiner Mutter und einen von seinem Lektor, der ihn verklagen wird. Er bietet Samuel einen Deal an, der seine Zukunft verändern und seine Vergangenheit auf den Kopf stellt wird. Das alles passiert bereits auf den ersten ca. 150 Seiten.

Zu diesem Zeitpunkt etwa, beginnt die Geschichte von Faye. Hill legt Stück für Stück Fayes Vergangenheit offen.

Nathan Hill ist ein toller Geschichtenerzähler. Er schafft es, mich als Leser, über die komplette Distanz bei Laune zu halten. Sei es mit den unterhaltsamen Geschichten vom College, der Videospielwelt, der so lange quälenden Frage nach dem "Warum?" - warum hat Faye ihre Familie verlassen?? - oder Samuels tragische Jugendliebe.

"Am Ende müssen alle Schulden zurückgezahlt werden." 

So heimlich, still und leise wie Faye ihre Familie verlassen hat, endet auch das Buch. Nach knapp 860 Seiten endet das Buch ganz ruhig. Es klingt einfach aus, wie ein langes, schönes Lied.
Und als Leser bin ich damit einverstanden. Es braucht keinen Knall, kein Feuerwerk. Keinen Showdown.
Alle Fragen sind beantwortet, es gibt nichts mehr zu sagen.

Fazit

"Geister" ist ein Buch für jedermann. Ich könnte noch ewig über das Buch schreiben. 
Ich hoffe sehr, dass Nathan Hill in Zukunft nochmal ein ähnlich gutes Buch veröffentlichen wird.



Besten Dank an Piper

Nathan Hill Website

@nathanreads


2 Kommentare:

echo.of.rge hat gesagt…

"Geister" steht schon länger auf meiner Wunschliste.
Bisher hat mich nur der Preis abgeschreckt.
Tolle Rezension.
Liebe Grüße :)

wassollichlesen hat gesagt…

Danke :-) Preislich ist das sicherlich nicht ganz ohne, allerdings liest man ja auch 3mal so lange, wie an einem 300SeitenStandardlängenbuch ;-)